Justinus, S. (13)

Justinus, S. (13)

13S. Justinus, (1. Aug.), ein 9jähriger Knabe und Martyrer zu Louvre (Lupara, Lupera) auf dem Gebiete von Paris, wird von dem Boll. Sollerius am 1. Aug. (I. 30–38) ziemlich ausführlich behandelt. Namentlich gibt er S. 34–38 das in Versen geschriebene Leben, welches irrig dem hl. Beda Venerabilis zugeschrieben wird, und S. 30–31 die Lectionen nach einem Pariser Breviere vom J. 1680, nach welchem der hl. Justinus als das Kind christlicher Eltern zu Auxerre geboren und schon in seiner Kindheit mit der Gabe der Prophezeiung begnadigt wurde. In einem Alter von 9 Jahren veranlaßte er seinen Vater Matthäus, mit ihm nach Amiens zu reisen, um dort seinen schon seit mehreren Jahren in der Gefangenschaft befindlichen älteren Bruder Justinianus frei zu machen. Bei der Stadt Melun (Melodunum) stießen sie auf einen lahmen, blinden, fast nackten und halbverhungerten Bettler, dem Matthäus ein Almosen, Justinus aber seine eigene Tunica gab. Zu Paris nahm sie ein angesehener Mann, Namens Hippolytus, gastfreundlich in sein Haus auf. Von dort aus kamen sie nach Amiens in das Haus des Lupus, welcher der Herr des Iustinianus war und beim Anblicke unseres Justinus seinem Bruder die Freiheit schenkte. Lupus benachrichtigte aber die drei Verwandten, daß der Präfect Rictiovarus, der von den Kaisern Diokletian und Maximian über Gallien aufgestellt worden, den Befehl ertheilt habe, eine Untersuchung gegen sie einzuleiten. Auf diese Nachricht hin ergriffen sie in der Nacht die Flucht. Als der Präfect dieses erfuhr, schickte er 4 Reiter ab mit dem Befehle, sie entweder gefangen zu nehmen oder zu tödten. Justinus war mit seinem Vater und Bruder schon ganz nahe bei Louvre201 angekommen und rastete ein wenig bei einer Quelle. Plötzlich gab er seinen Begleitern den Rath, sich in einer nahen Höhle zu verstecken; denn die vom Präfecten abgeschickten Reiter seien nimmer weit entfernt. Wirklich kamen diese herbei, trafen aber nur den 9jährigen Knaben allein. Befragt von ihnen um seinen Namen, seine Religion und seine Begleiter, antwortete er: »Ich heiße Justinus, und meine Religion ist das Christenthum; übrigens verbietet mir das evangelische Gesetz, meine Begleiter zu verrathen.« Auf diese Antwort hin geriethen die Reiter in Wuth, und Einer von ihnen hieb dem Justinus den Kopf ab, worauf sie den Platz verließen. Nach Entfernung dieser Henker hob der Vater die heil. Reliquien auf, beerdigte den Leib im Dorfe Louvre, trug aber das Haupt, welches der enthauptete Knabe noch einige Zeit lang in den Händen gehalten haben soll, nach Auxerre zur Mutter als heil. Pfand des jugendlichen Martyrers, welches dort verborgen blieb, bis der hl. Bischof Amator es erfuhr und es mit vieler Feierlichkeit in die Kirche übertrug. Wegen häufiger Einfälle der Barbaren wurde aber später der heil. Leichnam nach Paris übertragen und in der Hauptkirche der seligsten Gottesgebärerin beigesetzt. – So lautet die Erzählung nach dem Pariser Breviere; aber schon der Bollandist Sollerius macht aufmerksam auf manche Schwierigkeiten, welche hier noch obwalten. Einmal nämlich sagen alte Documente, daß der Leib des hl. Justinus im J. 891 von Frankreich nach Corvey202 transferirt worden sei, und dann wird am 18 Oct. auch zu Beauvais (Bellovacum) in Frankreich unter dem Namen S. Justus ein Knabe verehrt, welcher nach andern sehr gewichtigen Documenten unter fast ganz gleichen Verhältnissen wie unser hl. Justinus den Martyrtod erlitten hat, und zwar in der Nähe von Beauvais. Zwar wiederholt hiebei der Bollandist (34. nr. 24) die schon anderswo in dem großen Werke öfter gemachte Bemerkung, daß durch die Tradition nicht selten aus Einem Heiligen zwei gemacht oder die Acten eines Heiligen auf einen andern übertragen werden, was denn auch bei den vielen Heiligen mit dem Namen Justinus und Justus habe stattfinden können, und daß es der christlichen Pietät genüge, wenn sie nur gewiß weiß, daß die von ihr verehrten Reliquien wirklich die eines anerkannten Heiligen sind, wenn sie auch nicht gerade dem bestimmten Heiligen angehören etc.; aber er getraut sich doch nicht, in dieser Sache ein entscheidendes Urtheil zu fällen, sondern er überläßt dieses seinen Nachfolgern, wenn sie zur Behandlung des hl. Justus von Beauvais kommen. Und diese haben auch wirklich entschieden; denn der Neobollandist Eduard Carpentier hat am 18. Oct. (VIII. 323–342) aus alten Martyrologien etc. ausführlich nachgewiesen, daß die Acten des hl. Justus50 von Beauvais die ursprünglichen (primigenia) seien, nach welchen die andern im Laufe der Zeiten sich gebildet haben.203 Nach dieser ursprünglichen Erzählung, wie sie in den Lectionen des Breviers von Beauvais vom J. 1618 enthalten ist, wurde der betreffende 9jährige Knabe auch in Auxerre geboren, aber er hieß nicht Justinus, sondern Justus, dagegen sein Vater Justinus, seine Mutter Felicia, und es war nicht sein Bruder, sondern der Bruder seines Vaters, Namens Justinianus, welcher bei Lupus in Amiens als Gefangener oder Sklave sich befand. Der Ort, wo er auf der Rückreise getödtet wurde, war nahe bei Beauvais und hieß Synomovicus, wurde aber schon im J. 1015 St. Just (Villa S. Justi) genannt, wie er auch noch heißt. Als Todestag wird der 18. Oct. 287 angegeben. Nach vielen Jahren (um das J. 851) wurde sein Leib von dort nach Beauvais übertragen und in der Basilica des hl. Petrus beigesetzt, wo er von den Gläubigen noch verehrt wird etc. Das Ausführlichere hierüber sehe man bei S. Justus50. – Die Pariser meinten freilich einmal, daß ihr hl. Justinus identisch sei mit dem hl. Justus50 von Beauvais, wie aus einem Pariser Brevier vom J. 1584 hervorgeht, in welchem es heißt, Justinus sei im Gebiete von Beauvais getödtet, dann sein Leib zuerst nach Beauvais und später nach Paris übertragen worden, während es in dem Breviere von 1680 heißt, er sei in Louvre bei Paris getödtet und dann sein Leib dahin übertragen worden. Sicherlich hatte hierauf Einfluß das schon oben erwähnte, in Versen geschriebene Leben des hl. Justinus, welches fälschlich dem hl. Beda zugeschrieben wurde, aber erst im J. 1563 zu Basel in seinen Werken erschien, wie denn auch wirklich in der ersten Lection sich auf Beda berufen wird. Daß aber dieser hl. Justinus vom hl. Justus verschieden sei, ergibt sich nicht blos aus den verschiedenen Namen und Tagen, an denen sie gefeiert werden, sondern unter Andern auch aus alten Martyrologien, indem esz.B. bei Usuardus am 1. August heißt: »Im Gebiete von Paris der hl. Martyrer Justinus,« und am 18. Oct.: »Im Gebiete von Beauvais der hl. Martyrer Justus,« während es in einem anderen hier noch heißt: »Der hl. Knabe und Martyrer Justus.« Auch im Mart. Rom. findet sich dieser richtig am 18. Oct. mit dem Beisatze: »Im Gebiete von Beauvais die Gedächtniß des hl. Martyrers Justus, welcher noch als Knabe in der Verfolgung des Diokletian unter dem Präses Rictiovarus getödtet wurde,« während es am 1. Aug. nur heißt: »Im Gebiete von Paris die Gedächtniß des hl. Martyrers Justinus,« ohne weiteren Beisatz. Aus diesen und vielen anderen von dem Bolland. Carpentier angeführten Gründen geht hervor, daß allerdings in der Nähe von Paris schon zu Zeiten Usuards ein hl. Martyrer Justinus verehrt wurde, daß aber dieser nicht der bei Beauvais gemarterte hl. Knabe Justus war, sondern daß man auf denselben, wahrscheinlich weil man Näheres von ihm nicht wußte, etwa zu seiner größern Verherrlichung das übertragen hat, was die Geschichte vom hl. Knaben Justus erzählt etc. Uebrigens ist es auffallend, daß dieser hl. Justinus jetzt in Paris nur sub ritu semiduplici gefeiert wird und zwar am 8. August. Wie bekannt aber dieser war, dürfte auch daraus hervorgehen, daß man auch in der Schweiz von einem neunjährigen Knaben Justinus oder Justus weiß, welcher nach Burgener (I. 357) in Basel und dessen Umgegend von Rictiovarus im Rhein mit mehreren christlichen Bekennern ertränkt worden sei. Während die Namen der Uebrigen unbekannt seien, habe die Geschichte nur den Namen des 9jährigen Justinus oder Justus aufbewahrt. Doch müsse man diesen nicht verwechseln mit dem hl. Justus von Auxerre, dessen Haupt in der Stiftskirche zu Einsiedeln aufbewahrt werde etc. – Bei Butler (X. 244) wird am 1. Aug. nur der hl. Justinus »Martyrer im Parisis« kurz erwähnt, während vom hl. Justus von Beauvais oder Auxerre gar nichts vorkommt. S. S. Justus (I. 30–38).



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