Macarius, S. (5)

Macarius, S. (5)

5S. Macarius, Abb. (15. al. 19. Jan.) Dieser hl. Macarius darf mit Macarius aus Alexandria, dem »Städter« (Urbanus, ᾿αστός) nicht verwechselt werden. Wie dieser war er ein Schüler des hl. Antonius, welcher den Beinamen »der Große« führt, dessen Rath er sich über die Wahl seines Standes und dessen Führung erholt hatte. Schon als Knabe hatte er eine reife, greisenartige Gesinnung, er war ein »Knabengreis« (παιδαριογέρων)4. Ungefähr ums J. 301 geboren, führte ihn die Arianische Verfolgung unter dem Kaiser Valens, welcher ihn mit Andern durch den Präfecten Lucius auf eine heidnische Insel hatte deportiren lassen, nachdem er die Einwohner derselben zum Glauben bekehrt hatte (Sozom. H. E. VI. 20 u. A.), im J. 341 in die Libysche Wüste Scitis oder Scethis (Scitis, Scetis, Scithium, Scithica solitudo). Bei ihm waren zwei Genossen, von welchen der eine ihn bediente, der andere eine nicht sehr ferne Zelle bewohnte. Hier wurde er Priester und mit besonderer Kraft gegen die bösen Geister, mit der Gabe der Krankenheilung und Prophetie begnadiget. Schon als Jüngling hatte er gelernt, sich vollkommen Gott zu übergeben und ihm allein so zu vertrauen, daß er selbst bei großen Verleumdungen, die über ihn ergingen, kein Wort zu seiner Vertheidigung sagte. Hiemit begann er den großen Einzelnkampf mit sich selbst, welchen er sein ganzes Leben hindurch, Feind und Sieger in einer Person, fortsetzte. Wir geben zunächst ein Beispiel seiner Enthaltsamkeit. Er hatte es sich zum Grundsatze gemacht, in der Gesellschaft seiner Brüder Wein zu trinken, um der Brüder willen, aber für jeden Becher Wein sich, wenn er wieder allein war, einen Tag lang sogar des Wassers zu enthalten. Als die Brüder dieß erfuhren, gaben sie ihm keinen Wein mehr zu trinken. Einst gestand ihm der Teufel, daß es nur Eines sei, wodurch er ihn jedesmal besiege, nämlich durch seine Demuth. In der That schien er nur seine Fehler zu sehen, die Fehler Anderer sah er, als sehe er sie nicht, hörte sie, als hörte er sie nicht. Er sagte zu seinen Schülern: »Wenn wir des Bösen, das uns die Menschen anthun, eingedenk sind, so rauben wir uns das Vermögen, an Gott zu denken; sind wir aber des Bösen eingedenk, das der Teufel erregt, so werden wir unbesiegbar seyn.« Derlei Lehren evang. Weisheit sind von ihm mehrere erhalten. Ein in der Nähe wohnender Abt, Namens Ajo, wollte einen Denkspruch von ihm hören. Er sagte zu ihm: »Meide die Menschen, bleibe in deiner Zelle, beweine deine Sünden und suche nicht das Gerede der Menschen, so wirst du selig seyn.« Einst heilte er ein Weib, das sich im Irrsinn für ein Pferd ansah, durch Besprengung mit gesegnetem Wasser und sagte dann zu ihr: »Versäume nicht mehr die Kirche, vernachlässige nicht mehr den Empfang der Sacramente.« Oft gab er seinen Schülern die folgenden Ermahnungen: »Denket immer an die Gegenwart des Allmächtigen, der die Gedanken aller Menschen durchschaut und die Herzen durchforscht.« »Wir sollen zu uns selber sagen: wenn du dich vor Menschen, welche doch Sünder sind, zu sündigen fürchtest, warum solltest du nicht die Majestät des Allmächtigen, vor dessen Augen Alles offen und aufgedeckt da liegt, noch viel mehr fürchten!« Einer der Jünglinge, die seiner Leitung sich untergaben, hatte öfter unreine Gedanken. Nachdem Macarius ihn dahin gebracht hatte, sie zu bekennen, gab er ihm gegen sie das Mittel: »Faste bis zum Abend und sei arbeitsam; meditire immer über einen Text des Evangeliums oder eines andern Theils der heiligen Schriften; wenn dich ein sinnlicher Gedanke beschleicht, so schaue nie zu Boden, sondern jedesmal in die Höhe, und Gott wird schleunige Hilfe bringen.« In der von ihm auf uns gekommenen Schrift5, welche Einige als seine »Regel« bezeichnen, sagt er unter Anderm, daß nur der im Stande sei, ein vollkommener Diener Gottes zu werden, wer sich stets erinnere, daß er ein Geschöpf Gottes sei, wer sich allen Mühen unterziehe, gegen Alles, was im Leben Süßes ist, streite, die Hilfe Gottes suche, durch sie allmälig zur naturgemäßen Reinheit emporsteige und sie zuletzt wie etwas ihm Natürliches besitze. Einst fragte ihn Jemand, wie es komme, daß er immer, auch wenn er nicht faste, abgemagert und blaß aussehe; darauf erwiderte er: »Die Furcht des Herrn vertrocknet die Gebeine.« Von dieser war er so durchdrungen, daß der Teufel, so verschiedene Gestalten er auch annahm, immer denselben Macarius antraf. Vom Geiste des Herrn erleuchtet, zerstörte er mit Leichtigkeit die Truggebilde des bösen Geistes und machte ihn durch Wunder und Zeichen zu Schande. Eines Tags kam eine schwer bedrängte Frau zu ihm, die ihn wegen einer ihr zugemutheten Verhehlung zu Rathe zog. Ihr kürzlich verstorbener Mann hatte ein Depositum in Empfang genommen, ohne daß sie davon wußte. Nun wurde es zurückgefordert und sie konnte es nicht herausgeben. Der Heilige betete am Grabe ihres verstorbenen Mannes und erhielt von ihm Kenntniß über den Ort, wo das Geld verborgen liege. Es ging auch (wie Sozomenus, h.e. III. 13, erzählt) die Sage, er habe einen Todten wieder zum Leben gerufen, um einen Menschen, mit welchem er über die Auferstehung der Todten disputirte, zu überzeugen. Einst fand er eine Hirnschale auf dem Boden liegen, die mit ihm redete. Johannes Damascenus gibt uns über dieses Gespräch, wohl die genaueste Auskunft, so daß wir die Erzählungen Anderer, welche die Boll. mit Vorsicht zu lesen mahnen, als Entstellungen der Wahrheit betrachten dürfen: »So oft du für die Verstorbenen betest,« sprach der Todtenkopf, »fühlen wir eine kleine Tröstung.« Davon, daß die Hirnschale einem vormals heidnischen Priester angehört habe, weiß Johannes Damascenus nichts (de iis qui in fide dormierunt). Setzen wir noch hinzu, daß Macarius nach dem Zeugnisse des Socrates (h.e. IV. 18) denen, die mit ihm umgingen, in mit Ehrfurcht gemischtem Ernste begegnete, so dürfte hiemit das Bild seines innern und äußern Lebens einen angemessenen Abschluß gefunden haben. Vor seinem Ende wünschten ihn die Väter der Wüste noch einmal zu sehen. Er ließ sie zu sich kommen und sprach: »Weinet, weinet o Brüder, bevor wir hingehen, wo unsere Thränen unsern Leib durchbrennen!« (Die Thränen im Reinigungsorte stellte er sich also als Reinigungsfeuer vor.) Und alle weinten u. fielen auf ihr Angesicht und sprachen: »Vater, bitt für uns!« Er starb im J. 391, im 90. Jahre seines Alters. Bei den Griechen wird er am 19. Jan., von einigen abendländischen Martyrologien am 2., sonst am 15. Jan. genannt. Er steht im Mart. Rom. Beide Macarius, der egyptische und der alexandrinische, stehen (nach Oct. VIII. 43) im Koptischen Meß-Canon. Im Dom zu Amalfi wird (nach Ughellus Italia S. VII. 188) der Leib dieses hl. Macarius aufbewahrt und verehrt. Er wird (Columnae milit. Eccl. Nr. 9) als Einsiedler abgebildet, auf einem Betschemel in einer Felsenzelle knieend, in der Linken ein Buch, in der Rechten ein Kreuz haltend, unbeirrt durch die dämonischen Gestalten, die ihn umschwirren, dem Gebete obliegend. Das geschichtlich ihm zugehörige Attribut ist ein mit geradem Handgriff versehener Stab. (S. u.) Ein schönes Bild von Pietro Laurati zeigt den Tod des Heiligen, der von seinen Mönchen umgeben ist. – Die Gegend, welche dieser große Heilige bewohnte, heißt jetzt noch »die Wüste des hl. Macarius« (Oct. VIII. 40). Noch gibt es dort vier Klöster, die seinen Namen tragen. Ehedem zählte man ihrer (s. Tischendorf, Reise i.d. Orient, I. 117 ff.) so viele als Tage im Jahre. »Klosterruinen und noch mehr Klosterschutt,« erzählt der berühmte Gelehrte, den wir so eben citirt haben, »sah ich in der ganzen Umgegend in Menge.« Die Beschreibung, welche er von der Lebensweise dieser Mönche, die sich als Schüler des »Abu Makar« bekennen, gibt, ist von jener ihres hl. Stifters wenig verschieden: »Dee Brüder trafen wir fünfzehn; ihre Gesichter waren alle bleich, mehrere krankhaft gelblich. An den Augen litten die meisten; der Vorsteher war gänzlich blind. Die Zellen sind finstere, fast wie in Stein gehauene Kammern oder Kämmerchen zur ebenen Erde, ohne Fenster; nur durch die Thüre fällt das Licht herein. Die Klosterkost ist mehr als mager. Fleisch ißt man an sehr wenigen Tagen des Jahres; den größten Theil des Jahres genießt man nichts als Brod, getaucht in eine Brühe von sehr übelm Geschmack, Linsen, Zwiebeln und Leinöl. Beim Gottesdienste bedienen sich alle eines hölzernen Stabes, mit einem gleich starken, ungekrümmten Handgriffe. Man nennt diesen Stab den Macariusstab; ich sah auch immer den hl. Macarius mit diesem Stabe bildlich dargestellt.« Dieses Kloster heißt arabisch Askyth, aus welchem Namen unschwer das alte Sciathis, Scitis, Scethe zu erkennen ist. Von dem Klosterältesten des zweiten Klosters erzählt Tischendorf: »Der Klosterälteste war ein Greis von hundert und zwanzig Jahren. Erblindet ist er seit längerer Zeit; in seiner engen, dunkeln Kammer hält er sich an einem Querbalken, und singt oder betet laut Tag und Nacht; nur eine Stunde schläft er. Dieser Lebensabend hat einen schönen Zug. So tief hängt also diesem Greise, der vier Menschenalter gesehen, ins enge Thal der Erde herein der Himmel mit seinen heiligen Ampeln, daß sein von der Welt schon geschiedenes Auge nur noch Gott sieht, daß seine Lippe nur noch betet!« So wirkt das Beispiel der Heiligen in die spätesten Zeiten fort und spornt zur Nachahmung. – Es erübriget noch, über die Schriften dieses hl. Macarius beizufügen, was die neuesten Nachforschungen zu Tage gefördert haben. Die von ihm vorhandenen »Homilien« sind nicht geradezu, wie die Boll. meinten, falsch und unterschoben, aber sie sind verstümmelt und entstellt. Neu aufgefunden wurde von ihm sein »Sendschreiben an die Kinder Gottes« (epistola S. Macarii ad filios Dei). Es enthält eine Mahnung zum bußfertigen Leben und beginnt: »Vor allem muß der Mensch anfangen, sich selbst kennen zu lernen, warum er nämlich erschaffen sei, hernach Gott, seinen Schöpfer, und dann wird er anfangen, zu bereuen, was er in den Tagen seiner Nachlässigkeit verschuldet hat.« Sofort behandelt er die Hindernisse der Buße und die Gefahren, welche hiebei zu vermeiden seien: Stolz, geistl. Hoffart, Ermattung im Kampfe, Zweifel an der Möglichkeit, die Keuschheit zu bewahren und die Gebrechlichkeit der Natur zu überwinden. Dagegen helfe sicher muthvolle Ausdauer im Vertrauen auf die Kraft von Oben. Die Demuth nennt er den Gipfel aller Tugenden. Die sämmtlichen noch vorhandenen Schriftstücke finden sich gesammelt bei Floß: Macarii Aegyptii epistolae, homiliarum loci, preces ad fidem Vaticani, Vindobon, Berolin, aliorum Codd. Colon. 1850. Unter den »Gebeten« findet sich ein sehr schönes zum hl. Schutzengel6, das also beginnt: »Heiliger Engel, der mir beisteht im Kampfe meiner Seele und im Elende meines Lebens, verlaß mich armen Sünder nicht.« (I. 1005–1015).



http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.

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